Mitmachthema Chiaroscuro....oder Hell und Dunkel ....

sam25

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Es braucht nicht viel, um über einen Begriff zu stolpern, den ich so nicht kannte. Und dies obwohl er mir eigentlich so bekannt ist ...

Chiaroscuro, oder hell/dunkel findet sich als Begriff in der Malerei.


Und irgendwie fand ich meine Fotografie wieder in diesem Begriff, aber nicht nur. Wir reden nicht über Technik noch über Firmen und Marken und das alles spielt keine Rolle. Hell/Dunkel, ein Gestaltungsmerkmal von grosser Wichtigkeit, auch in der Fotografie. Aber nicht nur. Hell/Dunkel findet sich auch in der Musik wieder, überhaupt in der Kunst, wo und wie sie auch immer angesiedelt ist.

Beginnen wir, dies etwas zu erläutern. Hell und Dunkel als Empfindung oder als Wahrnehmung. Die Wahrnehmung steht vor der Empfindung, Empfindung ist subjektiv, und impliziert jenen Menschen, welcher wahrnimmt. Der Begriff entstand tatsächlich vor hunderten von Jahren und hat - gerade in der heutigen Zeit - nichts an Bedeutung verloren. Hell wird als Positiv empfunden, schwarz als dunkel - wenn auch - bezogen auf die verschiedensten Kutlurkreise, eher als mächtig, düster, wenn auch immer mit einem Hauch von Autorität und Recht.
Hell und Dunkel sind zentrale Gestaltungsmerkmale im Ausdruck von Menschen. Dabei sind Grauwerte, oder das Dazwischenstehen eher schwer zugänglich. Denn, um grau zu denken, müsste man sich mit Schwarz und Weiss auseinandersetzen. Oder eben mit Hell und Dunkel. Und das wiederum, ist mit Arbeit und Zweifel verbunden.
Chiaroscuro beschreibt dieses Phänomen in der Malerei. Und wenn ich auf eine Urdefinitionen der Fotografie zurückkomme, dann ist Fotografie "malen mit Licht". Und das stimmt nur beschränkt. Fotografie bezieht Hell und Dunkel gleichermassen mit ein. Die Musik kennt das auch: Helle und dunkle Klänge, auch im Sinne von Kontrasten. Musik kennt Farbtöne und Musik kennt die Tonarten. Während Moll eher düster und oft in wehmütigen Klängen, mit tiefsinnigen Texten komponiert wird, gelten Dur-Tonarten als eher fröhlich und freudig.
Über die Jahrhunderte hat sich dieser Begriff äusserster Interpretation erfreut. Während die einen sich stur an die allgemeine, zeitepochale Definition hielten, fanden andere ihre eigenen Interpretationen. Weiss und Schwarz oder Hell oder Dunkel haben sich abzugrenzen, während andere der Auffassung waren, dass extreme Gegensätze nicht notwendig sind, sondern Hell und Dunkel ineinander fliessen dürfen. Und das ist heute nicht anders.

Hell und Dunkel ist aber noch viel mehr. Hell ist Frieden und Dunkel ist Krieg. Die Absolutheit von Hell und Dunkel hat sich in der Empfindung der Menschen nicht vreändert. Hell ist gut und Dunkel böse. Hell steht für Gerechtigkeit, Dunkel für Ungerechtigkeit. Hell ist Gott und Dunkel der Teufel. Und wir tun uns in manchen Bereichen noch heute schwer, uns in Graubereichen zu bewegen. Es gibt beeindruckende Gemälde von Malern, welche diesen Gegensatz fast auf die Spitze trieben. Van Gogh's Gemälde von der Geburt Jesu im Stall. Die Szene im Stall wirkte düster, fast konturenhaft. Und das Licht erschien durch ein Loch im Stall und beleuchtete nur wenig der Szene. Als ich das Bild zum ersten Mal sah, erstarrte ich. Und mir war nicht klar, dass dieses Gemälde ein Mensch malte, der massiv litt.

Johann Sebastian Bachs h-moll Messe: Sie wurde von C.Ph.E. Bach, einem seiner Söhne als h-moll Messe bezeichnet. Sein Vater hat sie schlicht "Missa tota" genannt. Moll und Dur haben sich abgewechselt in dieser Messe und er hat mit den Tonarten genau so gespielt wie Jahre später Ludwig van Beethoven. Es galt für beide, Inhalte einer Komposition so darzustellen, wie die Empfindung war und mit den Tonarten in Hell und Dunkel zu spielen.

Und lade ich Euch ein, für einmal die Technik weg zu lassen, sondern tief in dieses Hell und Dunkel einzusteigen. eben in dieses Chiaroscuro in der Fotografie. Freuen würde es mich, wenn noch der eine oder andere Gedanke zum Bild, oder zur eigenen Empfindung beschrieben würde.

Und so beginne ich mit einem Bild aus einem der Nordtäler des Tessins. Wenn man sich nur im Ansatz etwas mit der Geschichte mit diesen Nordtälern befasst, dass ist man stetig mit Hell und Dunkel konfrontiert. Und das spüre ich noch heute, immer intensiv, wenn ich dort bin. Gefragt sind also Bilder, welche wir extrem wahrnehmen und empfinden. Die Technik ersetzt die Wahrnehmung nicht. Und somit auch die Empfindung nicht ...



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Meine Empfindungen zu diesem Bild aufgrund deiner Anregung Sam.......

Beginne deinen Weg mit offenen wachsamen Blick nach allen Seiten.
Starte geradlinig aber geh!
Sei du selbst und gerate nicht aus deiner Spur.
Du wirst stolpern. Du wirst fallen. Du wirst aufstehen. Denn du wirst geführt. Du wirst geleitet. Du wirst gehalten.
Begleitet wirst du auf deiner weiten Strecke durch immerwieder wechselndem Hell und Dunkel.
Durch Leid und Schmerz. Durch Pech und Glück.
Alles zusammen wird dich lehren. Alles wird dich stärken.
Willst du es schaffen.......so renne!
Dunkel und Hell wird Grau.

Am Ende deines Ziels verblasst ein zurückgelassenes Dunkel.
Blicke nach vorn! Zum Hellen Licht!





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sam25
sam25 kommentierte
Wunderschön ... in Wort und Bild ....
 
Wenn sich in den Nordtäler des Tessins das Wetter ändert, wenn es regnet, dann ist das etwas sehr Besonderes. Es ist anders als bei mir zuhause, wenn sich ein Regen oder ein Gewitter über uns entlädt.
Das Geräusch des Regens, des Blitz und Donners widerhallen an den Wänden der Täler und wirken bedrohlich. So mussten wohl auch die Menschen früher empfunden haben.

Es gab immer wieder Momente, in den denen ich das sehr intensiv empfand und intensiv interpretierte. Hell und Dunkel, oder Freude daran, dass Gewitter vorbei ist, die Erinnerung an die Angst.



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Kommentar
Da habe ich wohl vor ein paar Tagen ein passendes Bild machen können, allerdings mit Farbe...

Aufgenommen um die Mittagszeit auf einem Markt, der aber wegen Regen und Sonne mit schützenden Zeltplanen
überdacht wurde. An einer Stelle gab es ein Gap zwischen den Zeltplanen und die harte Mittagssonne fiel auf einen Kleiderständer mit besonders farbenfrohen Shirts.

Ich habe dann die Belichtungskorrektur auf -2 gestellt und auf die "Lichtstreifen belichtet. Entsprechend ist ein Bild mit Licht, Schatten und Farbe entstanden (vollständig in SW und mit einem stärker ausgebrannten Weiß wollte ich das Bild nicht entwickelt):


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1bildermacher1 kommentierte
Für mich das beste Bild von HaDiDi, man sieht es und ist sprachlos …..
 
HaDiDi
HaDiDi kommentierte

Ich wusste, dass es Dir gefällt, weil Du bei vielen Deiner Landschaftsaufnahmen auch diesen Hell-Dunkel-Effekt einsetzt.
(Seit ich Deine Bilder sehe, setze ich viel häufiger die Belichtungskorrektur ein.)

Aber es ist sicherlich kein "Mainstream-Bild" und die Likes werden sich in Grenzen halten, mir gefällt es trotzdem.
 
Christian B.
Christian B. kommentierte
@HaDiDi Ich finde das Bild auch sehr gelungen. Mich irritiert nur der magenrafarbene Rand. Absicht? Kannst Du es nochmal ohne einstellen?
 
HaDiDi
HaDiDi kommentierte

Ich probiere morgen mal eine etwas andere (farbliche) Bearbeitung und stelle sie dann ein.
 
HaDiDi
HaDiDi kommentierte

Habe es neu bearbeitet und finde es jetzt
tatsächlich noch etwas besser:


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Ich habe eine leichte Rot-Grün-Schwäche,
(wird über das X-Chromosom vererbt), wodurch
meine Farben manchmal etwas sonderbar rüberkommen.
 
Und noch eines ....

Wir trafen einen alten Mann unter komischen Umständen und er führte uns zu seinem Haus, ein altes Zollhaus, an der Grenze zu Frankreich. Er führte dazumal eine vielbeachtete Hundezucht und ist dann unter verschiedenen Umständen ziemlich "abgerutscht". Wir betraten dieses alte Zollhaus und keiner von uns wusste was ihn erwartete.
Die geschnitzten Holzfiguren im ersten Raum stammen samt und sonders aus einer berühmten Holzschnitzerei im Kanton Bern. Und ich wusste, dass sie noch eine Bedeutung für mich haben werden.
Nach der Hausbesichtigung, die uns alle emotional fast aus den Socken warf, nahm ich die "Taschenlampe" meines Handy's und versuchte ein paar wenige Bilder von einzelnen Figuren zu machen ...

Nur dieses Eine schien mir passend. Ein Mann, ein Hirte und ein zufriedener Gesichtsausdruck. Und irgendwie stand er mitten in den anderen Holzfiguren. Und ich empfand, dass er leuchten würde wie ein Stern im Leben eines Menschen, dessen Leben wohl nicht das einfachste war ...



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Chiaroscuro ... oder Hell und Dunkel ... - Ein interessantes und vielschichtiges Thema hast du hier angestoßen, und ein zutiefst philosophisches (wie fast immer bei dir, Sam). Im Grunde sprichst du damit die Gegensätze an, die auf dieser Welt herrschen: Gut und Böse, Armut und Überfluss, Hunger und Übersättigung, himmelhoch jauchzend und zu Tode betrübt ... Yin und Yang eben ...
... und diesen Diskurs nun mit den Mitteln der Fotografie zu führen.

Wer oder was gewinnt die Oberhand? Das Helle oder die Dunkelheit?

20180119_D850_0437swFKH.jpg

Die Riesenhand, hält sie sich schützend vor das Haus oder wird sie es im nächsten Moment zermalmen? - Die Zukunft ist für uns ungewiss.

(Es handelt sich dabei um eine Skulptur des Bildhauers Lorenzo Quinn, die eine Zeit lang in Venedig zu sehen war.)

Näheres dazu z.B. hier: Skulptur Schützende Hände
 
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sam25
sam25 kommentierte
Danke Harald. Ein Bild, dass mich fast schaudern lässt ... sehr, sehr berührend ....
 
Ich habe noch ein weiteres Bild,
welches zum Thema passen sollte
und auch wieder farbig ist:


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Übrigens ein Covid-Bild, es finden keine Großveranstaltungen mehr statt
und die Bestuhlung wurde weggeschlossen.
 
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2 Kommentare
Christian B.
Christian B. kommentierte
Prima. Was meinst Du: Noch ein wenig nach rechts kippen, damit die Senkrechte im Vordergrund links und die blaue Waagerechte jeweils parallel zum Bildrand verlaufen? Wird möglicherweise nicht beides gleichzeitig gehen, dann würde ich der Senkrechten den Vorzug geben.
 
HaDiDi
HaDiDi kommentierte

Danke für den Hinweis.
Ja, ich werde mich das Bild mal gezielt an der Senkrechten ausrichten, die Waagerechte ist zumindest parallel zu den Rückenlehnen, das solle passen.
 
.

220512_ST_0095_low.jpg



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peterkdos
peterkdos kommentierte


manchmal muss man das "Kochbuch" sein lassen.
 
waldgott
waldgott kommentierte

Manchmal ja. Meist aber hilft das Kochbuch zu besseren Gerichten ... besonders, wenn es kreativ variiert wird.
 
jazzmasterphoto
jazzmasterphoto kommentierte
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Es gab gute Gründe, warum ich dieses Bild genau so in Szene setzte.
Auf einer Doppelseite bietet es dem Layouter die Möglichkeit, links
eine Spalte und rechts zwei Spalten Text zu setzen.
Oben kann er ggf. Schwarz anstricken, um eine Headline zu stellen.
Und unten bei Bedarf beschneiden …
Mit anderen Worten: Das Motiv bietet jede Menge Möglichkeiten, es
grafisch ansprechend zu nutzen; sogar Hochkant ist vorstellbar.

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peterkdos
peterkdos kommentierte
...dachte ich's mir. Manchmal muss man Platz lassen.
 
achim kostrzewa
achim kostrzewa kommentierte
Richtig! Für Publikationen Platz für Layout und Text immer mitdenken...:27:
 
Ich bin sehr erfreut, dass das Thema so viel Anklang findet. Es bedeutet ja letztlich, dass ich mich mit der Thematik auseinandersetze und ich mir schon vor dem Auslösen Gedanken über das Motiv mache. Manchmal treffen mich Hell und Dunkel wie ein Schlag und ich muss mir keine Gedanken mehr machen. Die Wahrnehmung ist so kurz, dass es in Sekundenschnelle eine Empfindung auslöst. Das sind dann spezielle Momente und werden für mich dann auch spezielle Bilder.

Doch hell-dunkel als alleiniger Gegensatz genügt nicht. Hell - dunkel, als Gestaltungselement in der unterschiedlichen Umsetzung der Idee von Chiaroscuro, bedeutet auch Inhalt. Erstaunt haben mich nicht nur die verschiedenen Ansichten in den verschiedenen Epochen, sondern auch dessen Umsetzung.

Hell - Dunkel, um erneut die Parallele zur Musik aufzunehmen, ist genau so ein wichtiges Kompositionselement. Und selbst in der Sprache wird mit Hell und Dunkel gespielt.

Aretha Franklin, vermutlich sinnbildlich für viele Künstlerinnen, welche nie bekannt wurden, erlebte dunkle Stunden und Jahre. Gefangen ein Stück weit mit sich selbst, hat sie sich mit diesem grandiosen Album Amazing Grace losgelöst von alten Fesseln. Wenn man der Musik zuhört, dann widerspiegelt sie den Kampf zwischen dem Dunkel und dem Hellen.

Viele Opern sind auf dieser Thematik aufgebaut. Spontan in den Sinn und unglaublich wirksam hat Wolfgang Amadeus Mozart die Thematik in die Zauberflöte integriert. Der Kampf von Hell und Dunkel, der Kampf von Gut und Böse. "Die Strahlen der Sonne vertreiben die Nacht", die Eingangsarie von Sarastro bevor es dann zum Schlusschor kam.

Bei meinen Spaziergängen im Jura, rund um unser Ferienhaus, finden mich oft solche Gegensätze. Vielleicht auch deshalb, weil ich durch die Woche voll werde von solchen Hell-Dunkel-Geschichten....

Hier ein weiteres Beispiel. So sah es nicht aus, aber so reflektierte das Äussere mein Inneres ...



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Wuxi
Wuxi kommentierte
An Dich, @sam25 , habe ich bei dem Thema SOFORT gedacht :)
 
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