Für die nächste Ertappe muss ich etwas ausholen.
Meine Eltern stammen beide aus großen, weitverzweigten Familien. Eine jüngere Schwester meiner Oma väterlicherseits trat mit 21 Jahren in den Orden "Congregatio Jesu" ein. Dieser geht zurück auf Mary Ward. Sie versuchte zu Beginn des 17. Jahrhunderts, einen Frauenorden ohne kirchliche Klausurvorschriften in Anlehnung an die Jesuiten zu gründen. Sie richtete Häuser für
Gefährtinnen ein, verbunden mit Schulen für junge Frauen und Mädchen. Sie gilt als Wegbereiterin einer besseren Bildung für Mädchen. Weltlich wurde ihr Werk oft anerkannt und unterstützt, doch konnte sie zu Lebzeiten keine päpstliche Bestätigung zur Ordensgründung erlangen. Zu ihrer Zeit und noch lange danach wurden die Einrichtungen
Institute der Englischen Fräulein genannt. Die päpstliche Anerkennung erfolgte erst 1877. Heute tragen weltweit zahlreiche Schulen ihren Namen. Auch meine Frau war nach der Grundschule Schülerin der Maria-Ward-Schule im pfälzischen Landau.
Unsere "Indertante", wie sie in der Familie immer genannt wurde, arbeitete ab 1938 (sie war damals 21) als Musiklehrerin in Mädchenschulen in Indien. Zunächst in Nainital an der Grenze zu Nepal, ab 1943 in Allahabad (heute Prayagraj) ) im Bundesstaat Uttar Pradesh.
St. Mary's Convent Inter College Prayagraj, Best School in ...smccjallahabad.orghttps://www.smccjallahabad.org
Schülerin dort war auch die in Allahabad geborene Indira Gandhi. Wie unsere "Indertante" war sie Jahrgang 1917.
Oft sahen wir die "Indertante" nicht, durfte sie doch nur alle 8 Jahre der pfälzischen Heimat einen Besuch abstatten. Diese Besuche gerieten jedoch in unserem beschaulichen Dorf jedes Mal zu gesellschaftlichen Großereignissen mit vielen Benefizveranstaltungen für ihre Projekte. Oft war dabei das halbe Dorf auf den Beinen. Und nun wollten wir sie in Allahabad besuchen. Vor der Abreise kündigte mein Vater unseren Besuch schriftlich für "Anfang bis Mitte Juni" an.
Nie werde ich die Szene am Tor des Konvents vergessen. Wir klingelten, eine Ordensschwester kam, wir schilderten unseren Wunsch. Sie verschwand wieder. Einige Minuten später kam die "Indertante". Sie erkannte uns schon von Weitem, schlug die Hände über dem Kopf zusammen und rief: "Ach Gott, Fritz. In däre Hitz!!"
Das war pfälzisch für "in dieser Hitze!" Fritz ist der Name meines Vaters. Sie bekannte bald, die sie hin und wieder Schwierigkeiten mit der deutschen Sprache hatte. Die Kommunikation im Orden und mit den Schülerinnen war stets auf englisch. Sie erzählte, sie denke englisch und träume auch englisch. "Nur wann ich schelde muss mach ich dess uff pälzisch." Wenn sie schimpfen muss, tut sie das in ihrer Muttersprache.
Zur Hitze: Eigentlich hätte der Monsun schon einsetzen sollen. Dann hätte es zwar sehr viel geregnet, aber die Temperaturen wären erträglicher gewesen. In diesem Jahr setzte der Monsun einige Tage später als üblich ein.