Wüstenarchitektur, viele Kinder und schweigende Türme - Reise im Iran 1975

Lydian

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Nun der zweite Teil einer Trilogie über Reisen innerhalb des Iran in den 70er Jahren. Alle Fahrten fanden in den Nowruz-Ferien statt. Nowruz ist das uralte iranische Fest zur Frühjahrstagundnachtgleiche, mit dem das neue Jahr begrüßt wird. An der Deutschen Schule Teheran* (DST) hatten wir zu dieser Zeit immer zwei Wochen Schulferien. Im Gegensatz zum sehr heißen Sommer war der späte März meist eine ideale Reisezeit. Übrigens auch aus fotografischen Gründen.

*Die offizielle Schreibweise der Schule, ich werde aber ansonsten die international übliche Schreibweise Tehran wählen. Kein Mensch im Iran sagt Teheran. Auch ansonsten werde ich relativ konsequent eine Schreibweise wähle, die ungefähr dem Klang der Namen entspricht.

Den ersten Teil, die Reise 1974, gibt es hier:
https://www.nikon-fotografie.de/community/threads/nomaden-großkönige-und-reifenpannen-reise-im-iran-1974.308752/

Wie im Jahr zuvor war der Persische Golf .... nein, nicht das Ziel. Aber der Umkehrpunkt. Ziele waren eher spektakuläre Orte in der Wüste

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die vielfältigen und immer freundlichen Menschen unterwegs

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und Kulturdenkmäler wie die "Türme des Schweigens" der Zoroaster.

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Die Reisenden

Die Lehrer an der DST durften maximal 5 Jahre bleiben, dann mussten sie als deutsche Beamte wieder zurück in das Land, das sie entsandt hatte. Dies führte dazu, dass jedes Jahr Lehrer gingen und neue kamen. Wir waren im Frühjahr 1975 seit 1 ¾ Jahren im Iran, hatten schon eine abenteuerliche Reise nach Afghanistan im Sommer 1974
hinter uns sowie eine längere und mehrere kürzere Fahrten innerhalb des Landes. Meine Eltern waren noch keine „alten Hasen“, aber eben auch keine Frischlinge mehr und für die Reise zu Nouruz 1975 schlossen sich uns auch echte Neulinge an. Da war der Junggeselle mit seinem goldenen VW Käfer, mein (damals neuer) Klassen-, Sport- und Englischlehrer mit Frau und Kind im gelben Ford Transit, eine neu angekommene Familie im Bulli mit zwei kleinen Kindern sowie eine weitere Familie, die schon ein Jahr vor uns im Iran ankam. Also ein Familienurlaub mit vielen Kindern, insgesamt waren es neun. Meine drei Schwestern und ich waren mit 7 bis 11 Jahren die ältesten. Anders als im Jahr davor waren auch die beiden kleineren Geschwister dabei.

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Wie üblich gibt es hin und wieder grisselige, unscharfe Fotos, die insbesondere meine älteste Schwester und ich mit der Kodak Instamatic schossen. Ich bearbeite sie auch nicht groß sondern lasse sie so grottig wie sie sind.​


Also ein Familienurlaub. Oder ein Badeurlaub? Schließlich sollte es wieder an den Persischen Golf gehen, wo man, anders als am Kaspischen Meer im März gut baden kann. Man kann es als Problem sehen, dass zwischen der Hauptstadt des Iran und dem Meer ca. 1.200 km teils ziemlich unwegsame Straßen liegen (bzw. lagen, denn heute gibt es natürlich auch Schnellstraßen). Oder man sieht es als Reiz und klappert unterwegs Sehenswürdigkeiten in wüstenähnlichen Gegenden ab, fährt teils abenteuerliche Pisten und verlängert so die einfache Strecke auf knapp 1.700 km..


Unsere Gefährte

Unser Auto, der VW 412 Variant, hatte insbesondere in Afghanistan heftig gelitten. Mehrmals streikte dort der luftgekühlte Boxermotor aufgrund von Hitze, aber gravierender war der Kupplungsschaden, mitten in den Bergen des Koh-i Baba. Nachdem wir, nach der „Reparatur“ in Kabul, mit drei funktionierenden Gängen (der 2. wollte nicht) die knapp 2.000 km über teils sehr gebirgige Strecken zurück nach Hause fuhren, bekam er in Tehran eine neue Kupplung, brachte uns in glühender Hitze nach Kashan, Naein und Isfahan (Fotos davon vielleicht mal an anderer Stelle), kutschierte uns im Winter (mit Spikes-Reifen, die damals gängig waren) oft über Eis und Schnee zum über 3.000 m hoch gelegenen Parkplatz im Skigebiet Dezin und erwies sich somit als recht belastbar. Der Zeltanhänger war schon ziemlich mitgenommen, fiel aber noch nicht auseinander. Wir waren, wie bei unserer Reise von Deutschland nach Tehran, zu sechst unterwegs. Es war also sowohl im Auto als auch im Zeltanhänger kuschelig.


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Die Route

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rot: Route 1974, blau: Route 1975 (die Rückfahrt spielt hier keine Rolle, denn es ging einfach schnell zurück)
 
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Die Fotos

Von der Reise 1975 habe ich sechs SW-Filme der Rolleiflex, also 72 Fotos, etwa 120 KB-Dias sowie zwei Filme mit der Kinderkamera Kodak Instamatic vorliegen. Mit beiden Formaten gibt es Probleme: Die SW-Filme sind in einem Labor in Tehran nicht wirklich gut entwickelt worden, Schlieren und Kratzer sind häufig. Das bedeutet einige Arbeit mit Lightroom Classic, ist aber machbar. Ganz schlimm ist es nur bei den Negativen der Instamatic. Aber da lohnt sowieso keine große Arbeit.

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Bei den Dias ist es viel schwieriger. Keine Ahnung, warum ihr Zustand so unterschiedlich ist. Manche sind völlig unbrauchbar, manche einwandfrei, die überwiegende Anzahl ist so mittendrin. Was sehr häufig vorkommt: Farbverschiebungen in Richtung lila, vor allem in den dunklen Bereichen, aber nicht nur dort. Ganz eigenartig ist, dass dies überwiegend bei Aufnahmen im Querformat rechts auftritt und verstärkt im unteren Bereich, bei Hochformat ist es oben. Mit der Lagerung kann es nicht zusammenhängen, denn alle Dias hatten ihren jahrzehntelangen Dornröschenschlaf gemeinsam im Magazin. Man könnte vermuten, dass es mit dem elektronischen Schlitzverschluss der Contarex zusammenhängt. Aber von früher kenne ich diese Probleme nicht.....

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Zum Glück sehen nicht alle sehen so schlimm aus wie dieses. Meine älteste Schwester beim Skifahren in Dezin auf knapp 4.000 m Höhe, der Demavand im Hintergrund.


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Solche gibt es leider recht viele. Hier habe ich die Lila-Verschiebung schon etwas korrigiert, auch die Partien rechts sind schon aufgehellt.


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Wie auch immer. Manche, ca. ein Drittel, sind völlig unbrauchbar, andere bekomme ich recht gut hin.

 
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Kashan

Die erste Station unserer Reise war die sehr sehenswerte Stadt Kashan. Die Stadt liegt für iranische Verhältnisse recht tief auf etwa 1.000 m Meereshöhe, daher ist es bereits im zeitigen Frühjahr recht warm. Am nordwestlichen Rand des bis über 4.000 m hohen Kuhrud-Gebirges profitiert sie vom Schmelzwasser dieser Berge. Ein Ausdruck dessen ist der berühmte Bagh-e Fin, ein typisch persischer Garten, ein Paradies in der Wüste. Die ersten Berichte über diesen Garten datieren aus dem frühen 16. Jahrhundert. Der Wasserdruck ist hier so hoch dass viele Springbrunnen ohne Pumpe betrieben werden können.

Es gibt nicht viele Fotos vom Bagh-e Fin von dieser Reise, denn wir waren hier mehrmals und im Jahr 1975 nur kurz auf der Durchreise.


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Im Zentrum befindet sich ein Kushk, ein Pavillion. Aus diesem persischen Begriff entstand unser Wort "Kiosk".


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Überreste einer seldschukischen Festung aus dem 11. Jahrhundert, im Hintergrund Kashan


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Man sieht, es war schon im März ziemlich warm. Im Jahr 2010 waren wir im Juli hier und es war grenzwertig.


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Blick vom Festungshügel auf die verschneiten Kuhrud-Gipfel, Teile der Reisegesellschaft um einen Campingtisch versammelt



Ausführlich habe ich die Stadt in meinem Reisebericht "Auf der Achse des Bösen" vorgestellt. Die Fotos warten noch auf die neuerliche Verlinkung.
 
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Natanz

Bei der inzwischen durch Zentrifugen zur Uran-Anreicherung bekannten Stadt Natanz verließen wir die Hauptroute nach Isfahan und besuchten ein recht ursprünglich erhaltenes Dorf.


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Egal wo wir waren, unsere Ankunft sorgte immer für Trubel. Hier bereitet meine Mutter wohl das folgende Foto mit der Rolleiflex vor.


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Hier bemerkenswert: Auch in kleinen und abgelegenen Dörfer gab es zu dieser Zeit junge Frauen, die sich nach westlicher Mode kleideten. Ein Miteinander traditioneller und moderner Stile. Oder die junge Frau studierte in Isfahan oder Tehran und war über Nouruz zu Besuch bei ihrer Familie?
 
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mein Vater (mit Kameragurt)


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Diese drei Fotos oben schafften es nicht ins Album. Wo wir auch hinkamen, nur freundliche und offene Menschen. Immer umringt von Kindern.

 
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Ardestan, nur etwa 50 km südöstlich von Natanz, wurde vermutlich schon unter den Sassaniden gegründet und war im 10. Jahrhundert n. Chr., also zur Zeit der Seldschuken-Dynastie, eine wichtige Stadt mit einer starken Befestigung. Heute hat Ardestan 16.000 Einwohner, im Jahr 1975 waren es nicht mehr als 5.000.

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Die Freitagsmoschee wurde im 12. Jahrhundert auf den Resten einer quadratischen seldschukischen Moschee aus dem 10. Jahrhundert gebaut. Es handelt sich um eine der frühesten Vier-Iwan-Moscheen (mit vier Portalen) der Welt.


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Ein vormals prächtiger Iwan führt in den mit einer Ziegelkuppel bedeckten Gebetssaal. Bei unserem Besuch zeigte sich die Moschee stark renovierungsbedürftig. Laut aktuellen Fotos im Internet wurde sie gründlich renoviert.

 
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Es sind keine gute Fotos, aber der Aufenthalt auf dem Dach der Moschee sowie der Bick in die Umgebung war für uns natürlich sehr interessant.


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Die Alterung der Dias bringt es mitunter mit sich, dass die Fotos der Instamatic besser sind als die der Contarex ....
Links meine Mutter in einer Bluse mit typischem Stoffdruck aus Isfahan

 
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Die nächste Station war Naein. Auch hier waren wir nur kurz auf der Durchreise (wir waren im Sommer '74 etwas länger in dieser Stadt), damit die Neulinge die Freitagsmoschee sehen können. Früher eine bedeutende Oasenstadt mit florierendem Handel und bekannt für ihre Teppiche ist seit einigen Jahrzehnten der Niedergang wohl unaufhaltsam. Unser letzter Besuch im Jahr 2009 stimmte eher traurig.

Die Freitagsmoschee ist die älteste erhaltene Moschee im persischen Raum. Sie stammt in ihren Anfängen aus der Abbasidenzeit, ist somit sunnitisch und hat nur ein Minarett.


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In der zweiten Bauphase um 960 wurde unter dem rechteckigen Innenhof ein mächtiges Kellergewölbe als Gebetsstätte errichtet. Hier kann man auch im sehr heißen Sommer in recht angenehmer Umgebung beten. Der Kellerraum wird durch Alabasterplattensteine von der Decke her beleuchtet. Fotos aus dem Jahr 2009 gibt es in meinem früheren Reisebericht (der mit der immer noch unvollständigen Verlinkung der Fotos….). Die Moschee konnte die Zeiten nahezu unbeschädigt überstehen und zeigt noch heute weitgehend ihr ursprüngliches Gesicht.

Ich glaube übrigens, dass es viel mehr und völlig andere Fotos dieser Bauwerke geben würde, wenn meine Eltern ein Weitwinkel besessen hätten....
 
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Auf der Strecke von Nain bis Yazd kamen wir immer wieder an Ortschaften vorbei. Manchmal wurde ein Abstecher gemacht, meist jedoch nicht.


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Pausen müssen mit Kindern immer wieder sein.​
 
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Richtung Yazd wird es immer wüstenähnlicher. Immer wieder passiert man Ghanate, die unterirdischen Wasserführungen. "Wasserleitung" wäre ein irreführender Begriff, da das Wasser nicht in Leitungen gefasst ist.


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Wo das Wasser konkret benötig wird, läuft es an der Oberfläche.

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Ideal für eine Rast​
 
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Kurz vor Yazd passierten wir ein Dorf und machten zum Glück halt.

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Von freundlichen Dorfbewohnern wurden wir ins Haus gebeten und mit Tee bewirtet wie das hier üblich ist. Anschließend baten sie uns auf die Dächer der Häuser, offensichtlich wissend, dass wir da lohnende Fotomotive finden.


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Markant sind hier die Öffnungen der "Badgir", der Windtürme. Meist sind sie in alle Richtungen offen, hier jedoch gibt es einzelne für bestimmte Windrichtungen. Sie leiten den Wind in die Häuser. Unterhalb befinden sich oft Wasserbecken, die, in Verbindung mit dem Luftzug, der Kühlung des Hauses dienen.


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Blick in die andere Richtung. Dieses Foto hatte ich ursprünglich einem anderen Ort zugeordnet, mein Vater wies mich auf den Fehler hin.
 
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Schweigende Türme

Seit über 2.500 Jahren gilt Yazd als Zentrum des Zoroastrismus, der ersten monotheistischen Weltreligion. Die Anhänger des Propheten Zarathustra verehren die vier "Elemente" Feuer, Wasser, Erde und Luft. Im heutigen Iran sind sie kaum mehr als eine geduldete Randerscheinung, haben aber immerhin, wie Juden und Christen, garantierte Sitze im (recht machtlosen) Parlament. Das wichtigste Fest im Iran, das Neujahrsfest Nouruz, wird von Schiiten, Sunniten und Zoroastriern gleichermaßen gefeiert.

Feuer, Erde, Wasser und Luft müssen vor Verunreinigung geschützt werden. Dem Feuer kommt als Symbol des Guten, des Lichts und der Reinheit eine besondere Bedeutung zu. Wegen ihrer Verehrung des Feuers werden die Zoroastrier auch – eher abschätzig - Feueranbeter genannt. Aus der Pflicht, die vier "Elemente" rein zu halten, ergibt sich der besondere Totenkult der Zoroastrier. Weil Leichen als unrein gelten, dürfen sie weder in der Erde noch im Wasser bestattet noch verbrannt werden. Man setzte sie nach umfangreichen kultischen Zeremonien auf Türmen weit außerhalb der Dörfer oder Städte den Geiern aus. Nachdem diese das Fleisch von den Knochen genagt hatten, sammelten Priester die Gebeine ein, versiegelten sie mit Wachs und legten sie in kleine Felshöhlungen oder in Totenhäuser.

Die Türme mit Ummauerungen sollten verhindern, dass die Toten von Raubtieren gefressen wurde. Erwünscht war nur der Verzehr durch Vögel. Sie sollten die Seelen der Verstorbenen in den Himmel tragen. Um Yazd gibt es noch mehrere dieser Türme.


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Damals weit außerhalb, heutzutage liegen sie am Stadtrand.


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Diese Art der Bestattung wurde 1970 vom letzten Schah aus „hygienischen Gründen“ verboten. Seither müssen auch die Zoroastrier die Toten in der Erde bestatten. Um dem Gebot des Schutzes der Erde vor Verunreinigung trotzdem zu genügen, werden die Verstorbenen in Betonwannen beigesetzt. Rechts sieht man den damals neu angelegten Friedhof. In den Häusern unterhalb der Türme wurden kultische Handlungen vorgenommen und die Gebeine verwahrt.
 
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Heutzutage werden üblicherweise diese beiden nahe beinander liegenden Türme besucht.


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Damals wurden wir zufällig Zeugen einer Totenehrung. Nachdem die letzten Toten dort vor über 50 Jahren ausgelegt wurden und es seither einen Friedhof in unserem Sinne gibt, wird man dies kaum noch erleben.


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Wir besuchten noch einen dritten Turm an einer anderen Stelle, hauptsächlich, weil man meinem Vater zuvor sagte, man könne von einem benachbarten Berg aus gute Fotos machen. Kollegen erzählten, dass sie dort wenige Jahre zuvor noch Leichen haben liegen sehen.


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Man beachte unseren Parkplatz ....


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Diese Gürteltasche habe ich mir im Jahr zuvor in Afghanistan gekauft und besitze sie heute noch.
 
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