Auf der Achse des Bösen

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Die Stadt der Kacheln wird zur Teppichstadt

Kaschan soll die letzte Etappe meines Reiseberichtes sein. Obwohl sie namensgebend für Keramikfliesen war (sie werden "kashi" genannt - auch hier ist unser Wort "Kacheln" nicht weit), denkt man heute wohl zuerst an Teppiche, wenn man den Namen der Stadt hört. Tatsächlich ist Kaschan heute ein bedeutendes Zentrum der iranischen Textilindustrie und die meisten der mechanischen Teppichwebstühle stehen in Kaschan. Übrigens wird die überwiegende Zahl an geknüpften Perserteppichen auch heute noch in den Familien hergestellt, nicht in Manufakturen.

Kaschan gehört auch zu den Zentren der Rosenwasserproduktion des Iran.

Persönlich verbinde ich mit der Stadt jedoch eher Sandwüste. In der Nähe waren wir öfters auf Kurzaufenthalten im Frühjahr an den Dünen.

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Das war 1974/75. Der Weg dahin war oft schwierig. Von Straßen konnte keine Rede sein und der luftgekühlte VW 412 Variant war des öfteren mit der Hitze überfordert.

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Hier sieht man den Vater mit dreien seiner Kinder.


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Das muss um 1977/78 rum gewesen sein, wie ich am Auto erkenne.


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Diese unscharfen Fotos hat meine älteste Schwester mit einer Kodak Instamatic aufgenommen. Sie war die einzige unter uns Kindern, die einen eigenen Fotoapparat hatte.
 
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Jetzt reisen wir jedoch komfortabel in einem japanischen Kleinbus mit Klimaanlage.

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Wieder gibt es faszinierende Landschaften.

Auf halbem Weg besichtigen wir eine Tropfsteinhöhle. Krasser Temperatur-Unterschied: ca. 50°C draußen, 16°C drinnen.

In Kaschan besichtigen wie zunächst wir den bekannten Garten Bagh-e Fin, der für Abbas I. als Vision des Paradieses erbaut wurde. Heutzutage verbindet er architektonische Elemente aus der Safawiden-, Zand- und Kadscharenzeit.

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Mir gefällt der zentrale Pavillon am besten, der Rest ist recht unspektakulär - außer, man ist sich bewusst, dass der hier herrschende Wasserdruck mitten in der Wüste ausreicht, um ohne elektrische Energie für Springbrunnen zu sorgen....

Nach der Besichtigung nehmen wir das Abendessen in einem traditionellen Restaurant in der Nähe des Gartens ein.

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Unsere Unterkunft ist das wunderschön hergerichtete "Ehsan-House". Es gleicht teilweise mehr einem Museum, als einem Hotel.

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Der Tag beginnt mit einem typisch iranischen Frühstück im schön dekorierten Innenhof. Tische und Stühle gibt es nicht.

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Es gibt Fladenbrot, Butter, Honig, Frischkäse, Eier und natürlich Tee.


Wir besuchen die Agha Bozorg-Moschee.
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Sie ist eine der wenigen doppelstöckigen Moscheen des Iran. Der untere Teil dient als Koranschule und beherbergt auch das Internat der Madrese.

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Die Agha Bozorg-Moschee aus der Altstadt gesehen.


„Der Aberglaube schlimmster ist, den seinen für den erträglicheren zu halten.“
Lessing, Nathan der Weise

Zoroastrismus – Judentum – Christentum - Islam

Keine Religion entsteht aus dem Nichts. Neue Religionen basieren auf vorangegangenen, sie assimilieren die alten immer bis zu einem, regional oft sehr unterschiedlichen, Maß. Himmel und Hölle, das Paradies, die Erzengel und das Jüngste Gericht – das alles wurde erstmals bei den Zoroastriern schriftlich erwähnt. Auch der Teufel als Gegenspieler Gottes - im Islam Scheitan genannt - geht vermutlich auf Ahriman, bei den Zoroastriern der Gegenspieler Ahuramazdas, zurück. Dies alles und manches mehr fand Aufnahme in die späteren monotheistischen Religionen Judentum, Christentum und Islam.

Judentum, Christentum und Islam sind so genannte „abrahamitische“ Religionen. Sie alle sehen ihre Wurzeln in dem Gott, der mit Abraham einen Bund geschlossen habe. Demnach ist es derselbe Gott. Das Judentum ist die älteste Religion, die sich darauf begründet. In direkter Folge steht das Christentum. Etwa um 600 n. Chr. empfing nach islamischer Überlieferung Mohammed durch den Erzengel Gabriel die bisher letzte Offenbarung Gottes. Mohammed wird von den Muslimen in der Reihe der Propheten als der historisch letzte angesehen. Andere Propheten des Islam sind u. a. Adam, Noah, Abraham, Moses, David, Salomon, Johannes der Täufer und Jesus. Insofern haben alle drei Religionen trotz ihrer unterschiedlichen Ausprägung gemeinsame Wurzeln.

Nach Abraham gehen die Überlieferungen jedoch teilweise getrennte Wege. Während der eine Sohn Isaak als Stammvater der Juden gilt, sieht man im anderen Sohn Ismael den der Araber (und damit der Muslime).
 
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Auch eine zweite Koranschule besuchen wir - offen gesagt nur, weil wir auf dem Weg zum Basar zufällig daran vorbei kommen.
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Diese Jungs wollen Mullah werden.

Nach Abraham gehen die Überlieferungen teilweise getrennte Wege. Während der eine Sohn Isaak als Stammvater der Juden gilt, sehen die Muslime im anderen Sohn Ismael den ihren. Eine der zentralen Pflichten jedes gläubigen Muslims, die Wallfahrt nach Mekka, geht auf Ismael und seine Mutter Hagar, Abrahams zweite Frau, zurück:
Als Ismael und seine Mutter in der Wüste dem Verdursten nahe waren und Hagar zwischen zwei Hügeln siebenmal hin und her gelaufen sei, um Wasser zu finden, sah sie das Wasser zu Füßen ihres Sohnes sprudeln. An dieser neuen Quelle siedelten sich Menschen in dem sonst dürren Tal an, was den Anfang der Stadt Mekka dargestellt haben soll. Hier baute Ismael die Kaaba, das erste Gotteshaus, erbaut vom ersten Propheten Adam, neu auf. In Erinnerung an die Suche und Anstrengung laufen auch heute noch die Pilger während der Hadsch siebenmal zwischen den beiden Hügeln - die sich heute im Inneren der großen Moschee befinden - hin und her.

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Den Schiiten sind auch Pilgerfahrten an weitere Stätten sehr wichtig. Hier das zweitwichtigste Heiligtum im Iran, das Grabmal von Fatima Masumeh, einer Schwester des 8. Imam Reza. Bei unserer Besichtigung erklärt uns ein Wächter voller Inbrunst mehrmals, dass Muslime, Juden und Christen sich auf dem gleichen Weg befänden. Wir sollen nach Deutschland zurückkehren und von der Freundlichkeit der Iraner berichten.
Ich bin der festen Überzeugung, dass den Iranern die Gemeinsamkeiten von Christentum und Islam viel bewusster sind als es hierzulande der Fall ist.


Eine weitere Grundpflicht der Muslime ist das „Zakat“, die Gabe von Almosen an Bedürftige.

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Hier sieht man einen Jungen, der in eine der vielen tausend Behälter, die überall in den Städten stehen, Geldscheine steckt.

Zwei weitere Details, die die gegenseitige Beeinflussung der Religionen illustrieren:

Maria

Maryam ist die einzige Frau, die der Koran namentlich erwähnt und nach der eine Sure – die 19. – benannt ist. Auch im Islam wird Maria als Mutter des Propheten Jesus (Isa) verehrt und im Koran als reinste Frau beschrieben. Auch die Muslime glauben an die jungfräuliche Empfängnis Jesu.

Mitra – die Kopfbedeckung katholischer Bischöfe

Ursprünglich ein Kennzeichen persischer Herrscher, wurde die Mitra im 11. Jahrhundert zur Kopfbedeckung hoher christlicher Würdenträger. Etymologisch ist der Begriff nicht vollständig geklärt, die Mehrzahl der Wissenschaftler jedoch geht davon aus, dass er auf die altiranische Gottheit Mithra zurück zu führen ist. Sowohl im Sanskrit wie der altpersischen Sprache heißt „mitra“ Freund.
 
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Architekten als Alchimisten


Als eine UNESCO-Kommission im Jahr 1993 Kaschan besichtigte, soll eines ihrer Mitglieder gesagt haben: "Kashani architects are the greatest alchemists in history. They could make gold out of dust". Tatsächlich sind alle großartigen Gebäude der Stadt aus dem gemacht, was man vor Ort findet: Lehm und Ton.
Eigentlich hätte er sagen müssen: Ustad Ali Maryam ist der größte Alchimist unter den Architekten. Denn es war dieser Mann, der drei der fünf mittlerweile weltbekannten Gebäude entwarf.

Die fünf Bauwerke sind (in historischer Reihenfolge):
1. das Hammam Sultan Mir Ahmad, spätes 16. Jh., im 19. Jh. wieder aufgebaut
2. das Khaneh Abbassian (Haus der Familie Abbassi), Ende des 18. Jh.
3. das Khaneh Tabatabai (Haus der Familie Tabatabai), um 1840
4. das Khaneh Borudjerdiha (Haus der Familie Borujerdi), um 1860
5. die zentrale Basarkuppel, 1863
Ustad Ali Maryam entwarf die drei letzteren. Alle fünf möchte ich nun mit Fotos vorstellen. Ich bleibe bei der o. g. Reihenfolge.

Es gibt ein weiteres großes Haus aus dem 19. Jahrhundert, das ich nicht so spektakulär fand, das Khaneh Ameriha. Außerdem wurde es gerade renoviert. Hier soll ein Hotel entstehen.

das Hamam Sultan Mir Ahmad

Zunächst in safawidischer Zeit erbaut, wurde das Badehaus 1778 durch ein Erdbeben zerstört. Im 19. Jahrhundert (genaueres habe ich nicht heraus bekommen), wurde es wieder aufgebaut. Es ist benannt nach dem Sultan Mir Ahmad, dessen Grab sich unmittelbar nebenan befindet.

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Das Badehaus hat eine Gesamtfläche von ca. 1000 m².


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Ein Hammam hat natürlich keine Fenster, damit die Badenden ungestört sind. Die Beleuchtung erreichte man hier durch ein Dach mit einer Vielzahl kleiner Kuppeln mit Glaseinsätzen, über die auch die Belüftung geregelt wird.


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Hier sieht man vom Dach des Hammam die zentrale Kuppel des benachbarten Khaneh Borudjerdiha. Ein Merkmal jeder Wüstenstadt im Iran sind die Bagir, die Windtürme.
 
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Kaschan ist eine Stadt in der Wüste. Zudem liegt sie, anders als z. B. Shiraz, Yazd und Isfahan, auf weniger als 1000m Meereshöhe. Wir sind im Juli hier und es ist brütend heiß. Was heißt brütend - ich glaube, ein Ei würde hier bald hart werden........

Weich dagegen wird die Birne. Ein Beispiel: Nach ein paar Stunden des Herumlaufens und Staunens in der Hitze will ich im Khaneh Ameriha (das ich nicht weiter vorstelle), meine Kinder in den kleinen Spiegeln im Stuck plazieren.

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Das Hin-und-her-dirigieren wird mir zuviel. Ich breche entnervt ab bzw. drücke ab, auch wenn Aron noch nicht vollständig zu sehen ist.


Unsere Stadtrundgänge machen wir am frühen Vormittag sowie dann wieder ab ca. 17 Uhr. Dazwischen ist es kaum auszuhalten. Als wir am späteren Nachmittag wieder in die Stadt aufbrechen, lese ich auf dem Thermometer 47°C ab. Es liegt an einer Stelle, an die den ganzen Tag keine Sonne hin kommt.


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Mittagsruhe. Das Ehsan House ist zwar sehr schön anzuschauen, verfügt aber nur über eine veraltete Klimatechnik in den Zimmern. Wir lassen die laute Anlage ununterbrochen laufen und die Temperatur schafft es herunter auf 36°C.
 
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das Khaneh Tabatabai

Das Khaneh Tabatabai ist das älteste der drei Bauwerke von Ustad Ali Maryam, das ich hier vorstellen möchte. Es heißt, die Familie Tabatabai habe ihren Reichtum mit dem Teppichhandel erworben. Es müssen viele Teppiche gewesen sein.....
Ein zentrales Merkmal der iranischen Architektur dieser Epoche ist, dass die Häuser für ein Wohnen und Leben nach innen konzipiert sind. Von außen wirken sie völlig unscheinbar und wenn am Eingang neuerdings nicht ein großes Schild auf diese Anwesen, die nun Museen sind, hinweisen würde - man liefe an unscheinbaren Lehmmauern vorbei und würde nicht im mindesten ahnen, was dahinter ist.

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Hier sind wir auf dem Weg zu einem unserer Hotels. Auch hier kann man nicht im mindesten erahnen, was sich hinter den einfachen Mauern verbirgt. Es können die luxuriösesten Häuser sein.

Das Khaneh Tabatabai wurde in den 40er Jahren des 19. Jahrhunderts erbaut und muss in den letzten Jahren vollständig renoviert worden sein - jedenfalls wirkt es wie aus dem Ei gepellt.

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Innerhalb dieser großzügigen Anlagen, durch hohe Mauern abgeschottet vom Leben in der Stadt, realisierte man sich einen eigenen Mikrokosmos, eine absolute Privatheit mit den typisch persischen Paradiesgärten.


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Einer der zahlreichen kleinen Innenhöfe.


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Man fühlt sich schon etwas an prächtige gotische Kirchen erinnert.
 
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das Khaneh Borudjerdiha

Ich kenne zwei Geschichten dazu: In den Reiseführern steht, dass Papa Tabatabai das Anwesen als Hochzeitsgeschenk für seine Tochter, die einen Sohn aus der einflussreichen Familie Borudjerdi geheiratet habe, bauen ließ. Vor Ort wurde uns jedoch erklärt, dass diesem Sohn eine Aufgabe gestellt wurde, damit der Herr Papa der Vermählung zustimme: Er müsse ein Haus vorweisen, dass seiner Tochter würdig sei. Erst dann dürfe er....

Jedenfalls sollen 150 Handwerker sowie der berühmte Maler Kamal al-Molk über einige Jahre beschäftigt gewesen sein, bis das Haus dann um 1860 fertig war. Es scheint, als hätte das Ergebnis den Herrn Papa zufrieden gestellt, jedenfalls kam es zur Hochzeit.

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Auf den ersten Blick wirkt das Haus wenig spektakulär. Dies liegt zum einen daran, dass einige Gebäudeteile derzeit noch bewohnt und damit nicht öffentlich zugänglich sind und zum anderen, dass die staatliche Denkmalverwaltung in anderen Teilen ihren Sitz hat. Und ein dritter Teil wird seit Jahren renoviert....



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Aber schon die Kuppeln über dem äußerlich so schlichten Eingangsbereich sind berückend.



Bevor ich zum Prunkstück komme, hier nochmals eine Außenansicht der zentralen Kuppel.

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Man erkennt den aufgesetzten Turm sowie die in zwei Reihen angeordneten Licht- und Lüftungsöffnungen. Und das Baumaterial, Lehm mit Stroh vermischt, ist klar erkennbar.
Im Hintergrund das Kuhrud-Massiv, das bis über 4.000m hoch aufragt.


Ich weiß ja nicht, wie ihr empfindet - aber für mich ist die Kuppel, von innen betrachtet, ein Wunderwerk.
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Zu sehen ist leider auch das Baugerüst. Die Wandmalereien an den Wänden sind sehr renovierungsbedürftig. Der obere Teil der Kuppel ist jedoch prächtig restauriert.


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Kein Kaleidoskop, sondern der aufgesetzte Turm, von unten fotografiert.
 
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die Familien Tabatabai und Borudjerdi

Kaschan wurde 1778 durch ein schweres Erdbeben völlig zerstört. Beim Wiederaufbau spielten einige wohlhabende Familien eine besondere Rolle. Ihre Anwesen sind jetzt die Attraktionen der Stadt und auch heute noch sind die Namen Tabatabai und Borudjerdi im Iran prominent.

Tabatabai

Glaubt man der Homepage der Schauspielerin Jasmin Tabatabai (die ich überaus schätze), bezeichnet ihr Name, dass die Familie ihres Vaters von einem Imam abstamme, einem Schwiegersohn des Propheten Mohammeds.
Öhmmmmmm……………... Ein Imam ist mitnichten ein Schwiegersohn Mohammeds. Als Imam bezeichnen die Schiiten einen in ihren Augen legitimen Nachfolger des Propheten. Vielleicht sollte Jasmin, die in Tehran drei Klassenstufen unter mir die Deutsche Schule besuchte, mal ihre Seite Korrektur lesen.

Den Nachnamen Tabatabai tragen z. B. folgende Personen:

Zia al Din Tabatabai war Premierminister unter dem letzten Schah der Kadscharen. Nach seinem Tod 1969 wurde sein Haus das im Norden Tehrans beschlagnahmt und umgebaut. Es ist nun das berüchtigte Evin-Gefängnis.

Allameh Tabatabai war einer der einflussreichsten iranisch-islamischen Philosophen des letzten Jahrhunderts. Viele seiner Studenten spielten in der islamischen Revolution eine bedeutende Rolle.

Großayatollah Hassan Tabatabai-Ghomi (*1911) steht aufgrund seiner Kritik am herrschenden System seit 1984 unter Hausarrest.

Sadegh Tabatabai studierte und promovierte in Deutschland. 1967 übergab er Ulrike Meinhof jenes Material über Schah Reza Pahlawi, welches diese in einer berühmt gewordenen konkret-Kolumne ("Offener Brief an Farah Diba") gegen den Schah-Besuch 1967 verwendete. Der größte Teil der Auflage wurde beschlagnahmt und als Gegenmaßnahme verteilten die konkret-Redakteure 200.000 Flugblätter. Die damaligen Studentenproteste gegen den Schah, der Tod Benno Ohnesorgs, die Anti-Springer-Kampagnen - das Fanal der aufkommenden Studentenbewegung. Tabatabai gehörte zum Gefolge Khomeinis, als dieser am 1. Februar 1979 aus Frankreich in den Iran zurückkehrte. Zunächst Regierungssprecher der neuen Islamischen Republik, wurde er mit Ausbruch des 1. Golfkrieges mit der Beschaffung von Rüstungsgütern betraut.

Boroudjerdi

Borudjerd im Westen des Iran ist eine der ältesten erhaltenen Städte des Landes. Während ihrer Blütezeit im 18. und 19 Jahrhundert war sie Zentrum der Provinzen Luristan und Khusistan. Der Name Borudjerdi bedeutet ursprünglich einfach „aus Borudjerd“.

drei prominente Vertreter des Quietismus

Großajatollah Hossein Ali Ahmadi Tabatabai Borudjerdi
(1875 - 1961)
Ayatollah Mohammad Ali Kazemeyni Borudjerdi (? – 2002)
Ayatollah Sayyed Hossein Kazemeyni Borudjerdi (*1957)
Sie stehen für einen quietistischen schiitischen Islam, der die Ansicht vertritt, bis zur Wiederkehr des Mahdi (des 12. Imam, der im 9. Jh. entschwunden ist) sei jegliche politische Herrschaft illegitim, daher sollten die Theologen sie den Laien überlassen um sich nicht zu beschmutzen. Dem Großayatollah, dem letzten von allen schiitischen Geistlichen anerkannte Marja-e taqlid („Quelle der Nachahmung“, höchste, nur sehr selten vergebene Würde in der Schia) wird anlässlich des Mossadegh-Sturzes 1953 folgendes Zitat zugeschrieben:

„Wir, die Geistlichkeit, sollen einen islamischen Staat gründen? ... Wir wären hundertmal größere Verbrecher als die, die jetzt an der Macht sind.“

Auch die beiden jüngeren (Vater und Sohn) standen / stehen in dieser langen Tradition des schiitischen Klerus und lehnen die herrschenden politischen Verhältnissen im Iran vehement ab. Während der Vater unter ungeklärten Umständen 2002 starb, wurde sein Sohn häufig inhaftiert und sitzt seit 2009 in Einzelhaft. Mehrmals wurde er gefoltert und befindet sich nach Angabe von Amnesty International derzeit im Hungerstreik.
 
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In unmittelbarer Nähe der Tabatabai- und Borujerdi-Häuser befindet sich noch das Imamzadeh Sultan Mir Ahmad, das Grabmal, nach dem das schon vorgestellte Hammam benannt ist.

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Die Ursprünge reichen bis in seldschukische Zeit zurück (11./12. Jh.). Im 19. Jh. wurde es, wie fast alles in Kaschan, nach dem Erdbeben wieder aufgebaut.



Es gibt sehr viele sehenswerte Bauten in dieser Stadt. Aber was man sich hier hat einfallen lassen, weiß ich nicht.......
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Am rechten Bildrand ist übrigens ein Naqhel zu sehen, ein Holzgestell, das bei den Trauerprozessionen an Aschura umhergetragen wird.
 
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Im letzten Bild finde ich den Ideenansatz ein altes Gebäude über einen Art Bilderrahmen in ein neues zu integrieren sehr interessant! Da hab ich schon schlimmer verkrampfte Versuche in unserer Architektur gesehen.

Bitte Bitte mach weiter - das ist mein absoluter Lieblingsthread!

Hast du auch Bilder aus Bam? Vorallem täte mich interessieren ob die Stadt nach dem schweren Erdbeben wieder aufgebaut worden ist.

Michael
 
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Bitte Bitte mach weiter - das ist mein absoluter Liblingsthread!

dem kann ich mich uneingeschränkt anschließen! :up:

durch Zufall bin ich vor einiger Zeit auf Bücher (das erste davon hast du weiter oben erwähnt, wenn ich mich recht erinnere, jenes von Jason Elliot) von Reisenden im Iran gestoßen, welche ich nur so verschlungen hab und bin seitdem derart fasziniert von diesem Land...

Man bekommt durch solche Berichte einen komplett anderen Eindruck vom Iran, von dem man hier bei uns (leider) immer nur negatives hört...

Vielen Dank für die tollen Fotos und die Beschreibungen dazu, ich freue mich wirklich jedes Mal wenn ich sehe, dass ein neuer Beitrag gekommen ist!! :)
Der Wunsch, selbst mal da hinzufahren und alles mit eigenen Augen zu sehen und zu erleben wächst mit jedem deiner Beiträge :)

Lg, Doris
 
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Hast du auch Bilder aus Bam? Vorallem täte mich interessieren ob die Stadt nach dem schweren Erdbeben wieder aufgebaut worden ist.

In Bam waren wir, wenn mich meine Erinnerung nicht trügt, im Frühjahr 1975. Als wir unsere Reise im Jahr 2009 planten, war eines der von uns gewünschten Ziele Bam, auch wenn es nochmals ein gutes Stück (550 km) südöstlich von Yazd liegt und für einen Besuch drei Tage (1 Tag hin, 1 Tag Besichtigung, 1 Tag zurück) erforderlich gewesen wären. Wir erhielten die Auskunft, eine Besichtigung lohne sich derzeit nicht. Ein gutes Jahr später hieß es von Seiten der Reiseagentur, man nehme Bam wieder auf in die Liste der Reiseziele. Nach den verheerenden Beben vom Dezember 2003 und eines weiteren kleineren im Jahr darauf, wurden über 1 Milliarde US-Dollar zugesagt, um die Stadt, die zum UNESCO-Weltkulturerbe gehört, wieder aufzubauen.

Hier gibt es eine Gegenüberstellung von Fotos vor und nach den Beben:
http://www.irania.eu/IranLand/bam.html

Zur Zeit wird weiter kräftig gebaut. Und das Projekt wird für sehr viele Menschen dort die einzige Möglichkeit sein, eine halbwegs gut bezahlte Arbeit zu erhalten.
 
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Paradiesgärten in der Wüste


Ausgedehnte Gartenanlagen mit wasserführenden Kanälen und Springbrunnen bilden einen Grundbestandteil der persischen Kultur. Der altpersische Begriff für Garten, „Paradaidha“ ist als „Paradies“ in viele europäische Sprachen eingegangen. Kurosh der Große (griechisch: Kyros, lateinisch: Cyrus) ist der mythische Gründer des Tschahar-Bagh-Typs. Diese Gärten sind durch ihre Grundstruktur, bestehend aus vier Quadranten, die von Wegen und Wasserläufen getrennt sind, geprägt. Sie repräsentieren die vier Wasserläufe der vier paradiesischen Flüsse, die Wasser, Wein, Milch und Honig mit sich führen. Im Juni 2011 wurden die persischen Gärten von der UNESCO zum Weltkulturerbe erklärt.

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Bagh-e Ehram in Shiraz


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Iraner lieben ihre Gärten. Sie sind immer voller Menschen.

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Teehaus an der Quelle, die den berühmten Bagh-e Fin in Kaschan bewässert.


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Auch die Bauwerke, ob nun Moscheen oder andere, sind meist mit floralen Motiven verziert. Vögel, wie hier am Grabmal des Sa'adi, sind eher selten.

Viele große Städte des Iran liegen am Rand von ausgedehnten Wüstengebieten. Meine Kindheitserinnerungen besagen, dass es im Landesinneren von Mai bis September so gut wie nicht regnet – und doch ist ein Stadtbild ohne öffentliche Grünanlagen und Springbrunnen undenkbar. In jedem Innenhof eines Hauses der Mittel- und Oberschicht finden sich mehr oder weniger ausgedehnte Wasserbecken. In Tehran gehört ein eigenes Schwimmbad im Garten zum Standard bei wohlhabenderen Familien. Die Straßenzüge werden von Bäumen gesäumt, die am Rande von „Dschubs“, kleinen Wasserkanälen, die beständig Wasser führen, gepflanzt sind. Wo kommt all dieses Wasser her?
 
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Ghanate - Wasserleitung nach dem Maulwurfsprinzip

Betrachtet man eine topographische Karte des Iran, fällt auf, dass hohe Gebirgszüge das Land dominieren. Mehrere fast parallele Gebirgsketten durchziehen das Land. Im Zagros- und Kuhrud-Gebirge erreichen die Berge sehr oft über 4.000 m. Der höchste Berg im Iran ist der 5.671 m hohe Demavand im Alborz. Zum nur 60 Kilometer entfernten Kaspischen Meer hat er demnach einen Höhenunterschied von 5.699 m (das "Kaspi" liegt 28m unter NN): ein Anstieg, der nicht einmal in den chilenischen Anden zu finden ist.
In diesen Bergen fällt von Oktober bis in den April Regen oder Schnee. Das (Schmelz)wasser wird durch ein Aquädukt-System tief unter der Erde, das Ghanat genannt wird, über viele Kilometer in die Städte und Dörfer transportiert.

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Wie riesige Maulwurfshügel wirken die Ghanate. Da hier sehr viel Aushub zu sehen ist, kann man von etlichen Metern Tiefe ausgehen. Die längsten Ghanate transportieren das Wasser ca. 60 - 70 km in bewohnte Gebiete.


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Blick in einen der Trichter.


Erste schriftliche Hinweise über den Bau von Ghanaten datieren aus dem 8. Jh. V. Chr., wobei sich die Wissenschaft einig ist, dass der Ursprung dieser Technik noch weit über 1000 Jahre früher zu datieren ist. Als eines der frühesten Ghanate gilt der von Zavareh in der Provinz Isfahan, der auf etwa 3000 v. Chr. datiert wird. Im Iran ist diese Technik auch heute noch insbesondere am Rande der Wüsten Dasht-e Lut und Dasht-e Kavir weit verbreitet.

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Bau an einem Ghanat in den 70er Jahren. Heute werden keine neuen Ghanate gebaut, jedoch müssen die alten ständig instand gesetzt werden. Die angewandte Technik hat sich nicht überall verändert.


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Hier fließt das Wasser jedoch unzweifelhaft oberirdisch. Das bedeutet, dass die nächste Ansiedlung nicht weit sein kann.

Vom Iran aus verbreitete sich die Technik zunächst über die Ausdehnung des Perserreiches im 6. bis 4. Jh. V. Chr., später über die Seidenstraße nach Westen und Osten. In der Folge wurde die Technik auch von den Römern angewendet, die jedoch – begünstigt durch die niedrigeren Verdunstungsraten im kühleren und feuchteren Europa – bald auf oberirdische Aquädukte umstiegen. Nach Osten breiteten sich die Ghanate bis in das nördliche Indien aus, mit den Arabern erfuhren sie auch eine Ausbreitung über Nordafrika bis nach Spanien und Sizilien.
 
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Man bekommt durch solche Berichte einen komplett anderen Eindruck vom Iran, von dem man hier bei uns (leider) immer nur negatives hört...

Das hierzulande vorherrschende Bild vom Iran zu diversifizieren, zu zeigen, dass es in diesem Land keinesweg nur Fanatiker gibt, ist mir auch ein wichtiges Anliegen. Allein die erwähnten Ayatollahs, die wegen ihrer Kritik am herrschenden System unter Hausarrest stehen, inhaftiert sind, gefoltert werden, zeigt exemplarisch, welche tiefe Risse durch die iranische Gesellschaft gehen, auch unter den tief gläubigen Menschen.
Die Risse haben sich vertieft, sind jedoch nicht neu: Die Bewegung gegen das Schah-Regime vereinte für eine kurze Zeit verschiedenste Oppositionsgruppen. Sozialisten, Demokraten, Intellektuelle, Kommunisten, Islamisten. Khomeini hat es dann geschafft, konkurrierende Gruppierungen aus- sowie den Rest gleichzuschalten. In den folgenden Jahren flüchteten viele Exil-Iraner, die nach dem Sturz des Schahs hoffnungsvoll in ihr Land zurück kehrten, ein zweites Mal.

Auch wenn das Zitat von Katajun Amirpur aus der Zeit des ersten Sieges von Ahmadinedjad datiert, trifft es sich mit meinen Erfahrungen der Jahre 2009 und 2010 vor Ort:
"Trotz der um sich greifenden Hoffnungslosigkeit gibt es einen wichtigen Grund, warum die Reformkräfte letztlich gewinnen werden und warum für das theokratische Staatsmodell die Zeit abläuft: Dem Iran ist im Laufe des langen Reformdiskurses die Gesellschaft abhanden kommen".

"Dem Iran" würde ich jedoch durch "Den Herrschenden" ersetzen.
 
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