...ich hatte es gesehen, und war über die Tatsachen sehr Überrascht. Das wurde überhaupt nicht kommuniziert, aber es scheint für die Familie was das selbstverständlich.
Nicht jeder, der in der NSDAP war (vor allem als Unternehmer), war ein überzeugter Nazi....
und nicht jeder Nazi war automatisch auch Antisemit. Deutschland bekam zwischen den beiden Weltkriegen einige Nobelpreise, häufig waren es Deutsche mit jüdischem Background, die in der Wissenschaft erfolgreich waren. Ich kann mir schon vorstellen, dass Leitz beruflich auch mit vielen Juden zu tun hatte und deren Begabungen schätzte.
Nicht jeder ist zum Held geboren,
man entscheidet meist auch nicht für sich allein, Familie, Kinder, Mitarbeiter haben dann auch die Folgen zu tragen
und ja, viele sind auch Opportunisten, wollen problemlos durchs Leben kommen.
Trotzdem, ich werde darüber nicht urteilen, selbst stand ich in meinem Leben glücklicherweise nie vor so einer Entscheidung. Und ich will gar nicht ausschließen, dass ich mich dann auch für den opportunistischen Weg entschieden hätte...
Nö, da liest man glühenden Antisemitismus, aber nichts von der geplanten Vernichtung von 6 Mio. Menschen. Können natürlich schlaue Historiker in Kenntnis der folgenden Geschichte entsprechend "interpretieren".....
Zitat:"Im Übrigen ist das nicht "persönliche Meinung", sondern Stand der Geschichtswissenschaft. Dass es viel Verdrängung gab, ist bekannt, ist aber eben keine Entschuldigung. Wer wissen wollte, konnte wissen."
Ich habe das auch nicht bestritten, aber der Stand der Geschichtswissenschaft ist immer vor allem eine nachträgliche Sicht und berücksichtigt in seinem Urteil nur selten den den Entwicklungen der Zeit sprechenden menschlichen Faktor, der bei all diesen Dingen eine erhebliche Rolle spielt. Es ist dies auch keine Entschuldigung, selbstverständlich nicht. Wohl aber ein Weg, zu begreifen, warum überhaupt geschehen konnte was geschehen ist. Dieses Verstehen ist auch immens wichtig, viel wichtiger als das zerknirschte Bekümmertsein und beständiges Wiederholen von Schuldzuweisungen, denn wir können das Geschehene nicht ungeschehen machen, müssen im Gegenteil damit leben. Aber unsere verdammte Pflicht und Schuldigkeit ist es, dafür zu sorgen dass so etwas nie wieder passiert. Aktuell sind Gründe genug dafür vorhanden.
Auch die Geschichtswissenschaftler heute (be-)urteilen Geschehnisse zwangsläufig immer aus der Sicht eines von den Ereignissen selbst und persönlich unberührten Betrachters, weil sie die Zeit der Ereignisse nicht aktiv erlebt haben und sich auf die dokumentarischen Nachlässe der Geschichte stützen müssen. Das gilt nicht nur für die NS-Zeit
Die Geschichte Hugo Junkers´ ist mir gut bekannt und das genaue Hinschauen gilt für Ernst Leitz II nicht weniger. Man brauchte ihn wohl nur dringender an seinem Arbeitsplatz. Genaueres Hinsehen empfiehlt sich übrigens auch bei Moritz Hensoldt, dessen Firma in Wetzlar heute zu ZEISS gehört - allerdings in anderer Weise.
Aber noch ein weiterer Punkt zu nachdenken: Wenn man Dir erzählte, dass Dein Nachbar, mit dem Du im Sommer im Garten grillst, den Du aus Jugendjahren kennst, Eure Kinder gehen in die selbe Klasse und machen gemeinsam Schulaufgaben, im nächsten Ort kürzlich mal eben 120 Menschen umgebracht und/oder Kinder mit Elektroschocks quält (weitere creative Einfälle überlasse ich Deiner Phantasie), würdest Du das glauben, insbesondere wenn Beweise nicht oder nur unter womöglich großen persönlichen Nachteile zu erhalten sind? Ich will damit sagen, es ist u.U. ein himmelweiter Unterschied ob man von unvorstellbaren Geschehnissen hört und ob man das Gehörte, gerade wegen seiner Ungeheuerlichkeit, dann auch glaubt. Gräuelpropaganda war in allen Auseinansetzungen, nicht zuletzt im Ersten Weltkrieg, ein beliebtes Mittel psychologischer Kriegsführung.
Schaut euch bitte zeitgenössische Bilder oder Wochenschauen an: wer kann heute sagen, welche Rolle damals die seinige gewesen wäre? Meine inzwischen sehr reduzierte Familie war alles, was Deutschland zu bieten hatte: Links, rechts, dagegen, dafür, christlich, jüdisch - darüber zu sprechen ist nach wie vor der einzige Weg, um eine Wiederholung dieser einzigartig perversen Zeit zu verhindern.